Unternehmen können durch die Beschäftigung von beeinträchtigten Menschen besonders motivierte und loyale MitarbeiterInnen gewinnen. Vorurteile diesbezüglich sind allerdings noch weit verbreitet und die Scheu vor dem scheinbar höheren Aufwand hoch.
Wir haben mit einem der Vorzeige-Unternehmen in der Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung, der Firma Zumtobel, gesprochen und bei Herrn Felix Stecher, dem Leiter der Lehrausbildung bei Zumtobel genauer nachgefragt.
Seit wann beschäftigt Zumtobel Menschen mit Beeinträchtigung und wie viele sind es derzeit?
Der Gründerfamilie Zumtobel war die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen immer schon ein wichtiges Anliegen, daher gab es schon vor vielen Jahren Anstellungen von MitarbeiterInnen mit besonderen Bedürfnissen.
Mit dem Berufsförderprogramm das 1989 initiiert wurde begann zusätzlich eine gezielte Förderung junger Menschen mit Beeinträchtigungen, um ihnen einen guten Start in die Arbeitswelt zu ermöglichen.
Derzeit beschäftigen wir im Werk in Dornbirn 35 MitarbeiterInnen mit Beeinträchtigung, davon 7 Jugendliche im Berufsförderprogramm, dem internen Ausbildungsprogramm
Sie sind also in diesem Bereich bereits sehr viele Jahre aktiv. Wie haben sich die Strukturen im Unternehmen entwickelt und wie schaffen Sie heute die Inklusion?
Vor einigen Jahren war das Berufsförderprogramm relativ abgelegen vom Rest der Produktion im Betrieb angesiedelt, dadurch gab es weniger Möglichkeiten der Vernetzung und Kontaktaufnahme. Es blieben Berührungsängste auf beiden Seiten.
Vor vier Jahren wurde eine bewusste Veränderung vorgenommen, die Abteilung wurde zentral in die anderen Abteilungen eingebettet und intern auch als Abteilung „Montage und Verpackung Kleinteile und Zubehör“ anders betitelt.
Es braucht ein klares Bekenntnis zur Inklusion, Menschen die intern die Botschaft weitertragen und die personellen Ressourcen, dies auch zu tun.
Zusätzlich entschied man sich führungstechnisch zur Angliederung des Berufsförderprogramms an die Lehrausbildung. Dadurch ergeben sich nun verstärkt gemeinsame Aktivitäten und Projekte mit Lehrlingen. Diese Schritte führten zur vollständigen Inklusion der Abteilung und ihrer Menschen die darin tätig sind.
Sowohl bei neuen Projekten als auch bei der Durchführung oder Adaptierung bestehender Programme, nehmen Sie externe Beratung und Hilfestellung in Anspruch? Wenn ja welche Punkte sind am hilfreichsten?
Wir bekommen Unterstützung durch Mitarbeiterinnen der Firma dafür „dafür gemGmbH“ in Hohenems, durch das Sozialministeriumsservice, das Land Vorarlberg und verschiedenste andere Systempartner in Vorarlberg.
Wichtig und hilfreich ist eine gute Vernetzung mit sozialen Unternehmen und Kenntnisse über Fördermöglichkeiten.
Waren Vorurteile im Betrieb vorhanden? Wie sind Sie mit diesen umgegangen?
Es waren Vorurteile da, die sich durch bewusstes Miteinander sukzessive abbauen ließen. Wir zeigen auf, dass wir Menschen dort abholen wo sie stehen, ihre Qualitäten erkennen und sie darin fördern. Wir versuchen sie zu unterstützen, wo sie Unterstützung brauchen.
Das darf jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für sich beanspruchen, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Diese gelebte Haltung schafft mehr Rücksicht in den Teams.
Wie wirkt sich dieser Umgang auf das Team und das gesamte Arbeitsklima aus?
Besonders die Lehrlinge kommen, durch die Einbettung der Teilnehmer des Berufsförderprogrammes in die Projekte, oft das erste Mal in ihrem Leben mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen in Berührung. Wir spüren eine positive Haltung bei den Lehrlingen ganz besonders und machen ihnen damit auch das Thema soziale Verantwortung etwas bewusster. Bei den Projektteams spüren wir insgesamt einen positiveren Spirit und mehr Rücksichtnahme.
Fließt in Ihren Entscheidungsprozessen auch die unternehmerische Herangehensweise des Kosten-Nutzen-Denkens mit ein?
Wir führen im Unternehmen in Abständen Umfragen zur MitarbeiterInnenzufriedenheit durch. Die Auswertung ließe sich natürlich in Zahlen benennen. Es spielen dabei allerdings so viele Faktoren mit hinein, dass wir unser Bestreben nach einem respektvollen Miteinander nicht an Zahlen festhalten wollen.
Es liegt auf der Hand, dass es Nutzen stiftet, wenn MitarbeiterInnen sich im Unternehmen wohl fühlen und gerne zur Arbeit kommen. Trotzdem prüfen wir die Kostenseite regelmäßig. Mit den erhaltenen Förderungen kann eine geringere Produktivität ausgeglichen werden. Dadurch verstärken sich die positiven Effekte noch weiter.
Bleiben wir kurz beim Thema der öffentlichen Förderungen. Können Sie hier Angaben machen, welche Förderungen Sie beanspruchen können?
Wir bekommen für das Berufsförderprogramm Förderungen vom Sozialministeriumsservice, vom Land Vorarlberg und vom AMS. Das ermöglicht uns, Fachleute zu beschäftigen, die sowohl in technischer Hinsicht als auch in sozialpädagogischer Hinsicht kompetent agieren können.
Zumtobel gehört zu den Best-Practice-Beispielen in der Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung. Welchen Tipps können Sie Unternehmerinnen und Unternehmern geben, die sich gerade vor der Einstellung ihres ersten Mitarbeiters mit Beeinträchtigung befinden?
Es ist wichtig, sich bei zuständigen Fachstellen über Fördermöglichkeiten zu informieren, mit Fachleuten zu überlegen, welche Person mit welchen Handicaps für bestimmte und konkretisierte Aufgaben eingestellt werden können.
Dann gilt es auch schon, Bewerbungen einzuholen und dann die individuelle Situation abzuklären. Betriebliche Erwartungen sind festzuhalten und nach einer bestimmten Zeit zu evaluieren. Das MitarbeiterInnenteam sollte speziell in der Anfangsphase gut begleitet werden.
Autor: Lukas Winter
Bilder: Pixabay
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